„Für Menschen mit körperlichen und kognitiven Einschränkungen ist Bayern ein ‚Barrierenland‘. Und die Staatsregierung unternimmt herzlich wenig, damit aus Bayern ein ‚Inklusionsland‘ wird”, weist Ulrike Mascher, Landesvorsitzende Sozialverband VdK Bayern, auf behindertenpolitische Defizite hin. Angesichts der Bevölkerungsentwicklung sei das fatal. Denn die Zahl der Menschen mit Behinderung steige jährlich an: 2021 lebten in Bayern 1,93 Millionen Menschen mit einem Grad der Behinderung, davon 1,23 Millionen mit einer Schwerbehinderung, also einem Grad der Behinderung von mindestens 50.“
Viele Menschen mit Behinderung sind zwingend auf eine barrierefreie Infrastruktur angewiesen. Hinzu kommen Menschen mit anderen gesundheitlichen und altersbedingten Einschränkungen, die ebenfalls ein barrierefreies oder zumindest barrierearmes Umfeld benötigen. Nicht einmal die Minimalziele, die sich die Staatsregierung gesteckt hat, wie die Barrierefreiheit aller staatlichen, öffentlich zugänglichen Gebäude, sind seit 2013 erreicht worden. Laut Bayerischem Sozialbericht sind nur 53 Prozent dieser Gebäude barrierefrei. Auch bei Neu- oder Umbauten von öffentlichen Einrichtungen ist Barrierefreiheit nicht verpflichtend.
Das VdK Bayern fordert von der Staatsregierung: Schluss mit dem „Ermessensspielraum für Träger öffentlicher Gewalt“. Die bayerische Bauordnung muss verschärft werden. Bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge muss zwingend die Barrierefreiheit berücksichtigt werden.
Ein großes Defizit in Sachen Barrierefreiheit weist der Gesundheitsbereich auf. Das zeigt eine aktuelle Erhebung der Ostbayerischen Technischen Hochschule zu bayerischen Krankenhäusern. Gerade im Krankenhaus ist ein Großteil der Patientinnen und Patienten zwingend auf Barrierefreiheit angewiesen. Fast ein Drittel der Häuser aus der Studie hat aber keine Rampen, die der entsprechenden DIN-Norm genügen. Barrierefreie Toiletten finden sich nur in 56 Prozent der Stationen. Und – was besonders fatal ist – nur 15,5 Prozent aller Häuser können im Notfall eine stufenfreie Evakuierung aus den oberen Etagen gewährleisten.
Der Ausbau der Barrierefreiheit in zentralen Bereichen würde in Bayern einen Modernisierungsschub bedeuten. Beispiel ÖPNV: Mehr als die Hälfte der 1.066 Bahnhöfe und Haltepunkte in Bayern sind nicht barrierefrei. Eine entsprechende Anpassung der Bahnhöfe und Verkehrsmittel könnte der Verkehrswende in Bayern richtig Schwung geben. Denn Barrierefreiheit bedeutet Großzügigkeit, Bequemlichkeit und Komfort für alle Fahrgäste – und damit wäre der ÖPNV eine attraktive Alternative zum eigenen Auto.
Der VdK Bayern fordert die Staatsregierung auf, ihre Blockade gegen ein weiterentwickeltes Bayerisches Behindertengleichstellungsgesetz (BayBGG) aufzugeben. In seiner jetzigen Form bleibt das Gesetz deutlich hinter den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention und sogar des Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes zurück. Inklusion sei ein Menschenrecht, das auch in Zeiten der Krise und klammer Kassen nicht verhandelbar ist.